Von Oradea aus fuhren wir nach Cluj/Klausenburg, das in der Region Siebenbürgen liegt. Siebenbürgen ist nur über einen Pass oder durch Umfahrung der Berge erreichbar. Die Fahrt nach Klausenburg war gleichzeitig ein erster wichtiger Programmpunkt, da wir durch verschiedene bedeutsame Ortschaften fuhren, zu denen Prof. Dr. Maner einiges zu berichten hatte. Für die Fahrt charakteristisch waren Straßendörfer, die – wie der Name bereits vermuten lässt – sich an der Hauptstraße herausbildeten. Hier verdeutlichte sich auch die ethnische Vielfalt; in Tileagd (ung. „Mesőtelegd“) leben beispielsweise 65 % Rumänen, 20 % Ungarn und 10 % Roma. Aleșd wurde im Jahre 1241 beim Mongolensturm völlig verwüstet und weist heute 10.000 Einwohner auf. Es sind wohl auch Reste einer Burg „Falkenstein“ zu finden, obwohl hier nicht die deutsche Minderheit siedelte. Am eindrucksvollsten war für mich dabei der Ort Huedin (ung. „Bánffyhunyad“) mit den vielen „Zigeunerpalästen“ der reichen Roma, welche vielmehr Statussymbol als Wohnhaus sind. Meist wohnen die Besitzer nämlich aufgrund Gewohnheit in einem kleinen Haus nebenan.
Wegen der traditionellen Kleidung waren die Roma auch später in der Stadt identifizierbar. Nach einer beinahe dreistündigen Fahrt kamen wir in Klausenburg bei schönem Wetter an und wurden direkt von kommunistischen Gebäuden, Trolleybussen und Straßenbahnen begrüßt. In Klausenburg erhielten wir eine Stadtführung von Herrn Dr. Wilfried Schreiber, einem Geographie-Professor der Universität in Klausenburg. Vom Treffpunkt „Hotel Belvedere“ (auf dem Gebiet der ehemaligen Burg in Klausenburg) aus startete die Führung mit einem Blick auf die ganze Stadt. Eine Besonderheit der Stadt ist ihre langgezogene Form entlang eines Flusses und einer Hügelkette. Für die ganze Stadt gilt: bei Baustellen werden häufig Funde aus der Römerzeit gemacht. Das Gebiet ist also schon von den Römern besiedelt gewesen. Die Altstadt in ihrer heutigen Form geht aber auf den Anfang des 13. Jahrhunderts zurück, da die Stadt durch den Mongolensturm komplett zerstört war.
Herr Schreiber machte uns auf die erkennbaren ungarischen, rumänischen und deutschen Einflüsse in Klausenburg aufmerksam. Dies wird insbesondere an der Babeș-Bolyai-Universität deutlich, an der die Unterrichtssprachen Rumänisch, Ungarisch und Deutsch sind. Im Gegensatz zu Mainz hat die Universität keinen Campus. Außerdem gibt es sowohl ein rumänisches, als auch ein ungarisches Theater. Ebenso machten die vielen verschiedenen Kirchen die unterschiedlichen Einflüsse deutlich. Für uns neu bzw. ungewohnt war die konkrete Zuordnung von Konfession und Nationalität: griech.-orthodoxe Kirchen und griech.-katholische Kirchen sind die der Rumänen, röm.-kath. Kirchen werden von Ungarn besucht und reformierte bzw. lutherische Kirchen entweder von Ungarn oder Deutschen.
In der Exkursionsvorbereitung beschäftigte die Gruppe einige Fragen; eine von ihnen war, wie mit der eigenen Geschichte in Rumänien umgegangen wird. In Klausenburg haben wir zwei Denkmäler betrachtet und dabei konkret diese Frage in Erinnerung gerufen: einmal den Platz neben der Michaelskathedrale mit dem Matthiasdenkmal (Matthias Corvinus) von 1902, und zum anderen das Denkmal der Revolution von 1989.
Sowohl Herr Schreiber, als auch Herr Maner wiesen zudem auf Details, Gebäude und Gegenstände hin, in denen sich der ehemalige Bürgermeister Gheorghe Funar (bis 2004) verewigt hatte. (Nicht mehr sichtbar, aber zur Vorstellung hilfreich: Bürgersteige und städtische Mülleimer, die in den Farben der Flagge Rumäniens angemalt waren).
Das Stadtbild wirkte auf uns sehr uneinheitlich. Neben viel Verkehr und vielen Baustellen gab es alte und neue, restaurierte und verfallende Gebäude und ganz unterschiedliche Baustile dicht nebeneinander.
Besonders erwähnenswert war die Spiegelstraße – eine Straße, die rechts und links gleich bebaut wurde, sodass jedes Gebäude ein „Spiegelbild“ hat. Eine Straßenseite wurde bereits restauriert, die gegenüberliegende unrenovierte Straßenseite lässt noch das Stadtbild aus Zeiten der Mangelwirtschaft erahnen. Im mittelalterlichen Stadtzentrum steht das Geburtshaus des Matthias Corvinus. Für mich war das ein weiterer Höhepunkt, da ich mich in meinem Essay mit ihm vertieft befasst hatte. Straßenzüge, die schon zum mittelalterlichen Klausenburg gehörten, sind an einstöckigen Häusern erkennbar. Viele wurden allerdings in kommunistischer Zeit abgerissen und durch Plattenbau ersetzt. Sichtbar waren noch die ehemaligen Klöster. Insgesamt erinnerte das Stadtbild an uns schon bekannte westeuropäische Städte.
Nach einer ausführlichen und interessanten Führung gingen wir im Carrefour und im Markt einkaufen. Dabei konnten wir den Alltag für die rumänische Bevölkerung beobachten. Besonders eindrucksvoll war dabei der Markt, in dem verschiedene Bauern ihre aufgetürmten Waren („die Riesenradieschen“…) mit hoher Qualität verkauften. Daraufhin fuhr unsere Gruppe zu unserer Unterkunft, wo bereits die hausgemachten, frischen „Sarmale“ auf uns warteten. Zuletzt traf sich die Gruppe zu einer gemütlichen, gemeinsamen Runde, um sich über die ersten zwei Tage auszutauschen. Hierbei wurden die ersten Highlights von den Teilnehmenden thematisiert: Während für die Einen die ungarisch-rumänische Grenze beeindruckend und zugleich schockierend war, fanden die Anderen auch die „Zigeunerpaläste“ faszinierend. Insgesamt fanden alle Teilnehmenden die Stadt Klausenburg sehr eindrucksvoll und schön.
Sophia Sonja Guthier & Ulrike Ansorg