Am Morgen des 17. September wurden wir von Professor Bogdan Maleon aus unserem Wohnheim für eine Stadtführung durch Jassy abgeholt. Unsere erste Station war dabei zunächst das Hauptgebäude der nach Alexandru Ioan Cuza, dem ersten Fürsten Rumäniens, benannten Universität. In diesem Prunkbau befinden sich repräsentative Hörsäle, die mit den Wappen der Universität verzierte große Aula, das Rektorat und, durch eine reich geschmückte Haupthalle hindurch über den ersten Stock zu erreichen, der Senatssaal. Im Bildprogramm desselben finden sich besonders bekannte ehemalige Mitglieder der Universität, die wie bspw. der Historiker und nationalistische Politiker Nicolae Iorga besondere Würdigung durch ein Porträt in diesem Raum finden.
Nach Verlassen dieses Universitätsgebäudes bewegten wir uns die nach dem Hohenzollernschen König Karl I. benannte Allee hinab in Richtung Stadtzentrum. Die nächste Station war die nach dem Nationalschriftsteller Mihai Eminescu benannte Bibliothek, deren Interimsleiter Professor Bogdan Maleon zur Zeit ist. Dort wurden wir in einem kurzen historischen Abriss durch die Geschichte der Bibliothek geführt und über deren Werdegang von einer Bibliothek der König Ferdinand Stiftung, die Porträts der ehemaligen Königsfamilie geben davon noch immer Zeugnis, zur Universitätsbibliothek informiert und konnten außerdem einige der sechs Lesesäle besichtigen und wurden über das nicht-elektrische aber gut funktionierende und faszinierende Lüftungssystem informiert.
Mit einem kurzen Abstecher über das auf der anderen Seite des Mihai Eminescu-Platzes gelegene Gebäude des Doktorandenkollegs und erläuternden Worten zu Doktoratsstudiengängen in Jassy, setzten wir unseren Weg durch einen ersten als Altstadt erkennbaren Teil fort, passierten das Unirii-Museum, um schließlich auf der Piaţa Unirii die 1912 zu Ehren des Fürsten Alexandru Ioan Cuza errichtete Statue zu besichtigen und uns seine, mittels der im Sockel der Statue eingelassenen Regierungsdaten, bedeutende Rolle in der rumänischen Historiographie für die Schaffung des Nationalstaates zu vergegenwärtigen. Als wenig zufällig erscheint dabei die Wahl des Platzes – er liegt am Beginn des nach Stefan dem Großen benannten Boulevards, der als zentrale Prachtstraße auf die heute Kulturpalast genannte, ehemalige Residenz der Moldauischen Fürsten zuführt.
Entlang dieses Boulevards sind die wichtigsten religiösen Institutionen der Stadt gelegen, so die Catedrala Mitropolitană, die größte orthodoxe Kirche Rumäniens und Sitz des Metropoliten der Moldau und der Bukowina, die im 18. Jahrhundert erbaute katholische Himmelfahrtskathedrale und das eindrucksvoll im armenischen Stil 1635 unter dem Fürsten Vasile Lupu errichtete Kloster der Heiligen drei Hierarchen (Mănăstirea Sfinții Trei Ierarhi), das auch als Grabstätte Alexandru Ioan Cuzas dient. Der letztere Ort bildet auch durch das benachbarte Kloster und das ehemalige griechische Collegium den Ausgangspunkt höherer Bildung in ganz Rumänien.
Unser Stadtführer lotste uns im weiteren Verlauf durch die Stadt, um auch die historische kulturelle Vielfalt von Jassy zu erfahren. So führte er uns über die Strada Costache in die Strada Armeană, die, der Name verrät es, das historische Zentrum der bereits im Mittelalter nachgewiesenen armenischen Minderheit der Stadt bildet. Dort befindet sich die in ihrem Kern wohl etwa 620 Jahre alte armenische Kirche und ein Kulturzentrum der nur noch kleinen Gemeinde. Nach einem kurzen Abstecher über das wehrhaft wirkende Mănăstirea Golia mit seinem Turm führte uns die Strada Cuza Vodă entlang über die Strada Cucu zur im siebzehnten Jahrhundert errichteten großen Synagoge, die als religiöses Zentrum der historisch äußerst großen jüdischen Gemeinde, mit über 100 Synagogen vor dem II. Weltkrieg, gewirkt hat. Heutzutage ist sie eine von zwei aktiv genutzten Synagogen der nurmehr kleinen jüdischen Minderheit der Stadt, die in unmittelbarer Nähe, auf der Str. Doamna Elena, mit der Casa de la cinci drumuri ein Kulturzentrum unterhält, dem ein kleines Museum angeschlossen ist, das auf die größeren Tage verweist und einige religiöse, aber auch weltlich-kulturelle Objekte enthält.
Über die Strada Anastasie Panu näherten wir uns wieder dem Kulturpalast und damit auch dem Ende unseres langen vormittäglichen Ausfluges durch die Stadt. Auf dem Weg dorthin begaben wir uns noch kurz zum Zentralmarkt, der einen unterirdischen Teil aufweist mit dem sich die Struktur vormaliger, mittelalterlicher, Straßen erahnen lässt. Kurz vor dem Kulturpalast blieben wir dann vor einem weiteren Kulturdenkmal stehen: einer von Stefan dem Großen gestifteten und etwa 1495 erbauten orthodoxen Kirche. Den Palast selbst und die Statue Stefans des Großen umkreisten wir im weiteren Verlauf einmal, um das dahinterliegende neue kommerzielle Zentrum Jassys, auf das auch Professor Bogdan Maleon mit einigem Stolz verwies, zu besichtigen: die mit über 270000m² überaus große und erst 2012 eröffnete „Palas Mall”, dem Ort unseres Mittagessens.
Den zweiten Teil der zu besichtigenden Sehenswürdigkeiten unseres Tages in Jassy bildet der nachmittägliche Ausflug zum für seinen Wein berühmten Kloster Cetățuia auf dem gleichnamigen Hügel in der unmittelbaren Umgebung der Stadt. Errichtet wurde es Ende des 17. Jahrhunderts unter der Ägide des Fürsten Gheorghe Duca und hatte als Refugium bei Belagerungen oder Invasionen zu dienen. Der Aufbau der vollständig erhaltenen Klosteranlage war insofern interessant, als sich im inneren keine Mönchszellen befanden, heutzutage ist dem nicht mehr so, dafür allerdings das Gebäude des Abtes, das Haus des Fürsten und als Besonderheit für eine Klosteranlage: ein türkisches Bad. Auch soll Sultan Mehmed IV. das Kloster besucht haben. Im Haus des Fürsten ist heutzutage das Museum des Klosters untergebracht, in dem wir unter anderem auch alte Handschriften und weitere Objekte begutachten konnten, die unser gutgelaunter Mönch sehr anschaulich zu vermitteln wusste. Die Kirche im Zentrum der Klosteranlage hat als bauliches Vorbild sehr sichtbar die Kirche der Sfinții Trei Ierarhi in der Innenstadt von Jassy und beherbergt das Grab Gheorghe Ducas und seines Bruders. Am Ende der Führung durch das Kloster stand die Besichtigung des Weinkellers, die Erläuterung der technischen Ausstattung und die Verköstigung des klostereigenen Weines.
Einige Liter Wein begleiteten uns dann nach käuflichem Erwerb im Kloster auch noch auf den Abend im Wohnheim und ließen uns noch an weiteren Abenden der Exkursion etwas Erholung finden und uns mit Freuden an die Führung durch das Kloster zurückdenken.
Manuel Lautenbacher