Um 09:45 Uhr verließen wir Wolkendorf (Vulcan). Der Zeidner Berg (Măgura Codlei), der den Ortsansässigen als „Wetterberg“ gilt, versprach, dass uns das sonnige Wetter des bisherigen Exkursionsverlaufs auch an diesem Tag erhalten bleiben würde. Die Route führte uns am westlichen Rande des Burzenlandes entlang nach Tartlau (Prejmer). Unter anderem durchquerten wir Zeiden. Die weitgehende Übereinstimmung des Stadtwappens (eine Krone auf einer Baumwurzel) mit dem Wappen Kronstadts weist auf die frühneuzeitliche Konkurrenz der beiden Städte hin, die allerdings zugunsten Kronstadts entschieden wurde. Zeidens Ortskern zeigt noch die für siebenbürgisch-sächsische Dörfer exemplarische Straßendorfstruktur auf: Waggonartig lange Wohnhäuser und Höfe, deren Gärten durch breite Torbauten von der Straße abgeschottet sind. Die Gärten benachbarter Häuser grenzen aneinander, sodass diese einen Grüngürtel bilden. Diese Struktur wurde in der Ceauşescu-Zeit in vielen Dörfern zerstört, da man die breiten Gartenflächen nutzte, um in ihnen Häuserblöcke zu errichten.
Auf unserer Fahrt nach Tartlau konnten wir auch Spuren vergangenen wie noch existierenden Industrielebens erkennen: Der inzwischen nicht mehr existierende Glashausbetrieb in Zeiden, dessen Pflanzen und Blumen früher in ganz Rumänien bekannt und beliebt waren oder die Zuckerfabrik in Brenndorf (Bod), die bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb ist. Neuere Unternehmen der Region sind beispielsweise auf die Herstellung von Fleischprodukten oder Autozulieferung spezialisiert.
Bei einem kurzen Zwischenstopp in Honigberg (Hărman) bekamen wir bereits einen Vorgeschmack auf die Imposanz der Kirchenburg von Tartlau, denn Honigberg kann als „kleine Kopie“ Tartlaus gelten. Beide Burgen waren als Befestigungsposten an Karpatenpässen ins Burzenland gegen einfallende Feinde von Bedeutung.
In Tartlau selbst konnten wir dann einen Eindruck von der Funktion der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen als Trotz- und Wohnburg im Belagerungsfall erhalten:
Zig Wohnstuben oder -höhlen, die Bienenwaben gleichen, durchziehen die Ringmauer. Zur Verteidigung findet man neben Schießscharten und Pechnasen auch eine so genannte „Todesorgel“ – ein dickes Brett, das sich um seine eigene Achse drehen lässt und beidseitig mit Schießrohren belegt werden konnte. Während die eine Seite abgefeuert wurde, konnte man die andere wieder beladen.
Der nächste Programmpunkt für den Nachmittag war Törzburg (Bran). Bereits im Vorfeld hatten wir erfahren, dass dieser Ort ungemein touristisch sein würde, da die Törzburg als „Draculaschloss“ gilt und sich der Dracula-Mythos hier mit einer Königsnostalgie verbindet: In den 1930er Jahren hatte hier die rumänische Königin Maria gelebt und die Burg zu einem Wohnschloss umfunktioniert. So bedient dann die Burg heute eine skurrile Mischung aus Gruselflair und dynastischem Glanz, die nicht recht zusammenpassen wollen. Die historische Bedeutung der Burg als jahrhundertelang umkämpfter Grenzposten zwischen „Orient und Okzident“, zwischen Habsburgern und Osmanen, trat dabei völlig in den Hintergrund. Der Besucherandrang war dennoch enorm – sicherlich auch, da Sonntag war – und wir waren allesamt schnell durch das Gewusel und Gedränge stark ermüdet. Zum Glück konnte man sich vor oder nach dem Besuch noch mit Lángos oder ähnlichen Leckereien stärken. Und zugegebenermaßen konnte man zwischen all den befremdlichen Touristenfallen an Souvenirständen, die den Weg hoch zur Burg säumten (obligatorisch natürlich Plastikvampirgebisse), auch allerhand schöne Handwerkskunst wie beispielsweise Horezu-Keramik finden.
Ein unverhofftes Highlight des Tages war der kurze Abstecher zum Törzburger Pass, wo wir es uns nicht nehmen ließen in die Walachei zu blicken. Unser Busfahrer Vigil verewigte die fantastische Aussicht und das hervorragende Wetter auf unserem Gruppenfoto.
Aline Breuer