Nachdem wir uns von Wolkendorf/Vulcan verabschiedet hatten, brachen wir zu unserer nächsten Etappe auf, die Hermannstadt/Sibiu zum Ziel haben sollte. Zuerst führte uns der Weg nach Deutsch-Weißkirch/Viscri vorbei an der Bauern- und Fliehburg Marienburg (Feldioara), einem Erinnerungsort der Siebenbürger Sachsen, wo im 17. Jahrhundert 40 Menschen bei einer Schlacht gegen die Ungaren gefallen waren, durch die Perşaner Berge. Dann nahmen wir in Nussbach (Măieruş), dem nördlichsten Ort, Abschied vom Burzenland.
Weiter ging es durch den sogenannten „Geisterwald“ und das „Haferland“ (alte siebenbürgisch-sächsische Bezeichnung) und mir fiel auf, dass hier die Feldarbeit vorwiegend mit Hilfe von Traktoren erledigt wurde, wohingegen in anderen Landesteilen die Handarbeit dominierte.
Wir kamen an einer weiteren Bauen- und Fliehburg in Reps (Rupea) vorbei, die nach 1990 mit großem Aufwand Instand gesetzt wurde, mit dem Ziel, Touristen anzulocken. In meinem Fall hätte sie das Ziel erreicht, denn das Ganze sah sehr eindrucksvoll aus.
Die Burg thronte auf der Bergspitze und gleichzeitig schien es so, als ob sie sich vollkommen an den Felsen anschmiegte und ein Teil desselben war.
Auch die Landschaft, die „Siebenbürgische Heide“, war hier wieder sehr reizvoll, obwohl das Gras sehr trocken war vom heißen Sommer und sich die zahlreichen Schafsherden manchmal farblich gar nicht von den Wiesen abhoben.
Dann folgte der lustige Teil der Fahrt, den Herr Maner als „erzieherische Maßnahme“ bezeichnete, „damit alle wach werden“ sollten. Wir bogen ab in eine Straße, die vor Schlaglöchern nur so wimmelte. Eigentlich ist die Bezeichnung „Schlagloch“ auch irreführend, waren es doch eher „Schlagkrater“ die wir hier umfahren, bzw. mit äußerster Vorsicht durchqueren mussten. Freude kam auf, als der schlimmste Teil geschafft war, nun folgte jedoch eine Schotterpiste, die auch nicht viel besser war. Unserer Laune tat dies jedoch keinen Abbruch, wurden wir doch mit einer Kuhherde auf der Straße belohnt, die unser Busfahrer Virgil aus dem Weg hupen musste. Idylle pur!
Wiesen, Hügel, Äcker, Maisfelder und Schafsherden wechseln sich ab und es war einfach nur wunderschön.
Angekommen in Deutsch-Weißkirch war meine Freude groß, denn wir gingen zu Fuß durch das Dorf zur Kirchenburg hinauf. Am Straßenrand verkauften Frauen wunderbare Handarbeit, wie Schuhe oder Deckchen und das ganze Dorf versprühte einen sympathischen Charme.
Dann trafen wir auf Frau Groß, die uns durch die Kirchenburg führen sollte und die lustigerweise zwei Hunde mit sich führte, die zu einem Straßenhunde-Projekt gehörten, welches von Peter Maffay unterstützt wurde.
Schon von außen sah die Kirchenburg, wie so vieles das wir bisher besichtigt hatten, beeindruckend schön und gut erhalten aus.
Die evangelische Kirche im Inneren wurde bereits im 12. Jahrhundert gebaut und wird bis heute von den 15 verbliebenen Siebenbürger Sachsen aktiv genutzt. Zwar gibt es keinen eigenen Pfarrer mehr, wie auch in der ganzen Region nicht, aber ab und zu besuchen Rentner oder Studenten aus Deutschland den Ort und halten den Gottesdienst. Wir nahmen auf den Holzbänken Platz und konnten die schöne bäuerliche Bemalung bewundern, die sich seit dem 17./18. Jahrhundert nicht mehr verändert hatte! Die Kirche ist eine der ältesten in Siebenbürgen und wurde von den Szeklern, ursprünglich war es nur eine Kapelle, gebaut. Aus dieser Zeit stammt auch das älteste Stück, ein Taufbecken, das ca. 900 Jahre alt ist! Eine Besonderheit ist auch die Orgel von 1817, die in den Altar integriert ist.
Frau Groß berichtet uns von der Kirche und vom Dorf und erklärt auch, weswegen sowohl die Kirchenburg, als auch das ganze Dorf Deutsch-Weißkirch unter UNESCO-Schutz stehen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass in der Kirche alles unverändert ist und auch nichts fehlt und die Straßen und Häuser authentisch siebenbürgisch-sächsisch und noch in mosel-fränkischer Bauweise erhalten sind. Diese ist gekennzeichnet durch das Haus, mit einem Stall und Schuppen und einer Scheune, die mit Toren von der Straße abgeschottet sind. Renoviert wird, nach alter Methode, mit Kalk, Lehm und Sand, damit die Häuser, die aus Stein gebaut sind, atmen können. Klassische Farben sind blau und weiß.
Durch die Unterstützung des „Mihai-Eminescu-Trust“, der in London ins Leben gerufen wurde und dessen Mitbegründer Prince Charles ist, konnten Häuser restauriert und Fassaden gerichtet werden. Viele der leerstehenden Häuser wurden zu Ferienwohnungen umgestaltet, damit ein sanfter Dorftourismus entstehen konnte, der jedoch immer dann Überhand nimmt, wenn im Sommer zu viele Autos ins Dorf kommen, die die Straßen zuparken, sodass es Probleme gibt, die Tiere zum Wasser zu führen. Es hat eben alles seine Vor-und Nachteile…
Danach hatten wir Zeit, um die Anlage eigenständig zu erkunden und so schauten wir uns auch das Museum an, das sehr liebevoll zahlreiche Einrichtungsgegenstände, Werkzeuge, Handarbeiten, Schriften und vieles mehr zusammengestellt hatte.
Das Mittagessen wurde uns in einer Art Laube mit Wänden aus Weidengeflecht serviert und bestand aus Ciorbă mit Brot und eingelegten scharfen Peperoni und Kuchen und Kaffee zum Nachtisch. Wie immer, sehr sehr lecker!
Gekrönt wurde der Besuch in Deutsch-Weißkirch vom Besuch im originalen Plumpsklo, was wir als Touristen natürlich witzig fanden, für die dort lebende Familie jedoch Alltag ist und ich in dieser Hinsicht nicht tauschen möchte…
Frisch gestärkt konnten wir nun unsere zweite Tagesetappe in Angriff nehmen und machten uns auf den Weg nach Schäßburg (Sighişoara).
Antonia Schlotter
Nach einer weiteren Busfahrt kamen wir in Sighişoara, zu Deutsch Schäßburg, an. In Schäßburg wurden wir schon von unserer Fremdenführerin erwartet. Sie selbst ist auch Siebenbürger Sächsin und führte uns eine "Kostprobe" des Siebenbürgisch-Sächsischen vor. Nachdem wir alle aus dem Bus gestiegen waren, durchquerten wir den modernen Teil der Stadt, um zur von der UNESCO geschützten Altstadt zu gelangen. Dort wurden wir von der Fremdenführerin noch einmal offiziell begrüßt. Als diese einige einleitende Worte zur Geschichte Schäßburgs sprach, wurde sie mehrmals von einem bettelnden Jungen und einem Mädchen unterbrochen. Das bettelnde Mädchen hatte verfilzte Haare und beide Kinder trugen zerschlissene Kleidung. Die Kinder hatten beide einen so traurigen Gesichtsausdruck, dass es schwer fiel, ihnen keine Spende zu geben. Bettelnde Kinder seien in Schäßburg ein großes Problem, so unsere Fremdenführerin. Gebe man ihnen eine Spende, so würden die Eltern ihre Kinder eher zum Betteln als in die Schule schicken. Ihre These wurde durch die in der Altstadt angebrachten Schilder, auf denen in englischer Sprache stand, dass man den Bettlern keine Spende geben sollte, untermauert.
Unsere Fremdenführerin machte uns bevor wir die Altstadt betraten, darauf aufmerksam, dass Schäßburg wieder offiziell dreisprachig, also rumänisch, ungarisch und deutsch sei. Viele Siebenbürger Sachsen waren aus Schäßburg, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems, ausgewandert. Trotzdem leben hier noch, nach Angaben der evangelischen Kirche, einige Hundert Siebenbürger Sachsen.
Schäßburg ist sich seines multikulturellen Erbe bewusst und konnte es auch Dank seiner gut erhaltenen Altstadt effektiv vermarkten. Die komplette Altstadt ist UNESCO geschützt. Allerdings würden sich einige Bewohner nicht an die strengen, von UNESCO vorgegebenen Auflagen, was die Sanierung ihrer Häuser anbetrifft, halten. So hatte die Stadtverwaltung einige Straßenabschnitte mit Beton und aus China gekauften Flusssteinen gepflastert, anstatt sie traditionell mit den vorhandenen Steinen neu zu bepflastern. Die moderne Pflasterung hält nur einige Jahre während die traditionelle Pflasterung circa 25 Jahre hielt. Außerdem verhindert Beton, dass ältere Häuser "atmen" können und beschleunigt so deren Zerfall.
Nachdem wir einen großen Torborgen durchquerten, sahen wir das Wahrzeichen Schäßburgs, den Stundturm. Die am Obergeschoss des Stundturms befestigten vier Türmchen weisen auf die Blutgerichtsbarkeit, die Schäßburg besaß, hin. Wir durchquerten weiter die Altstadt und sahen uns die gut erhaltenen, bunt angemalten Häuser, welche das Stadtbild prägen, an. Die Fassade eines Hauses wurde im Obergeschoss durch einen deutschsprachigen Vers geschmückt und nur die Fassade in der unteren Etage war neu saniert.
Wir setzten unseren Weg in Richtung Bergschule fort. Der Aufstieg dorthin war steil bzw. die Anzahl der Treppen hoch, aber die Bemühungen wurden durch einen schönen Ausblick ausgeglichen. Auf dem Schulberg liegt das traditionsreiche "Joseph- Haltrich- Lyzeum", ein deutschsprachiges Gymnasium. Nachdem wir uns kurz die Schule von außen angeschaut hatten, gingen wir auf dem Schulberg weiter zur evangelischen Schäßburger Bergkirche. Diese ist von innen teilweise bemalt und beinhaltet einige Kirchenutensilien aus den benachbarten Gemeinden, welche ihr eine außergewöhnliche Ausstrahlung verleihen. Nach diesem Kirchenbesuch gingen wir den Schulberg wieder hinunter, um wieder zum Stundturm zu gelangen. Dort verabschiedete sich die Fremdenführerin von uns und wir machten uns daraufhin auf den Weg zum Bus. Wir hatten nämlich noch eine zweistündige Busfahrt nach Hermannstadt (Sibiu) vor uns. Dort übernachteten wir in dem evangelischen "Dr. Carl Wolff" Altersheim. Dieses Altersheim vermietet einige Gästezimmer kostengünstig. Wie auch in allen anderen Unterkünften auf dieser Reise, waren diese sauber, gemütlich und mit WLAN ausgestattet. So konnte jeder den Abend ausklingen lassen wie er wollte, ob im Skype-Gespräch mit den Lieben zuhause oder bei einem Bier in der zehnminütig entfernten Innenstadt.
Clara Specht