Unser Tag startete mit einem reichhaltigen Frühstück in der Unterkunft und einem anschließenden Spaziergang in das Stadtzentrum Hermannstadts.
Unser erster Programmpunkt war eine Diskussionsrunde im deutschen Samuel von Brukenthal-Gymnasium mit dem Schulleiter Gerold Hermann. In der Aula, dem Festsaal der Schule, konnten wir Fragen stellen und einiges über die Geschichte des Gymnasiums erfahren:
Eine erste Erwähnung findet sich in einem Kirchenregister von 1380, weshalb sich alle Feierlichkeiten der Schule auf dieses Datum beziehen, das Gebäude in seiner jetzigen Form wurde jedoch erst 1781 fertiggestellt. Jahrhundertelang war das Samuel von Brukenthal-Gymnasium eine konfessionelle Schule in kirchlicher Trägerschaft, bis nach 1945 konfessionelle Schulen in ganz Rumänien abgeschafft worden waren.
Der Unterricht an der Schule fand seit ihrer Gründung fast die ganze Zeit in deutscher Sprache statt. Heute ist die überwiegende Mehrheit der SchülerInnen zwar rumänisch, trotzdem nennt die Schule sich selbst „Schule mit Unterricht in der Sprache der deutschen Minderheit“, um durch den politischen Begriff der Minderheit einige gesetzliche Privilegien genießen zu können.
Grundsätzlich steht die Schule allen offen, einzige Grundvoraussetzung sind sehr gute Deutschkenntnisse, die durch den Besuch einer deutschsprachigen Grundschule erworben wurden. Viele der 840 SchülerInnen stammen aus reichen rumänischen Familien, die den deutschsprachigen Unterricht als Chance für ihre Kinder verstehen. Denn Deutsch wird nicht als erste Fremdsprache gelehrt, sondern als Grundsatz verstanden. Ein großes Problem für die Schule sei die schlechte Bezahlung der LehrerInnen. Da diese nur ein Gehalt in Höhe von etwa 200€ im Monat bekämen, entschieden sich in Rumänien immer weniger Menschen dazu, diesen Beruf auszuüben. Deshalb herrsche allgemein ein großer LehrerInnenmangel. Noch schwieriger sei die Situation allerdings in Bezug auf Lehrpersonal, das zudem über Deutschkenntnisse verfüge. Deshalb würde die Schule mit Lehrkräften aus der Bundesrepublik unterstützt.
Als Gruppe aus angehenden HistorikerInnen interessierten wir uns natürlich besonders für die Lehrpläne des Geschichtsunterrichts. Hier würden in Rumänien in etwa die gleichen Inhalte vermittelt wie an bundesdeutschen Schulen – einziger Unterschied sei das Schulfach „Geschichte der Rumänen“, welches in der 8. und 12. Klasse zusätzlich unterrichtet werden würde.
Gerade die Ansichten des Schulleiters in Bezug auf Roma wurden auch noch am Nachmittag kontrovers diskutiert. Auf die Frage, ob denn auch Roma das Gymnasium besuchen würden, äußerte er eine Reihe von Argumenten, die ich als Vorurteile einstufen würde. Anschließend folgte eine Führung durch Hermannstadt. Wir trafen unseren Stadtführer auf dem Vorplatz des Samuel von Brukenthal-Gymnasiums direkt an der evangelische Stadtpfarrkirche. Winfried Ziegler ist Historiker und Mitglied des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien.
Hermannstadt sei zum einen stark von Wandergesellen aus dem deutschen Sprachraum geprägt worden. Zum anderen betonte Herr Ziegler auch die Wichtigkeit des Handels für eine Stadt, die sich im stetigen Aufblühen befand. Die Lügenbrücke am kleinen Ring hat ihren Namen entweder von den vielen Händlern, die in der Stadt mit Stapelrecht auch mit vielleicht überzogenen Produktanpreisungen ihre Waren unters Volk bringen wollten, oder aber von den vielen Liebespaaren, die sich an der Stelle ewige Treue geschworen haben und immer noch schwören. Der kleine Ring ist vor allem von den charakteristischen Bogenhäusern der ehemaligen Handelsstadt geprägt. Auf dem Platz des kleinen Rings war reges Treiben. Das Hermannstädter Oktoberfest wurde vorbereitet. Der Platz wirkt klein und durch die dichte Aneinanderreihung der Gebäude sehr geschlossen. Das liegt auch an der katholischen Kirche, die die Sicht auf die evangelische Stadtpfarrkirche gänzlich versperrt. Ein klares Zeichen der vergangenen habsburgischen Machtpolitik.
Das historische Stadtbild hat im 20. Jahrhundert sehr gelitten. Nicht unter dem 1. oder 2. Weltkrieg, wie man vielleicht am ehesten vermuten würde, sondern unter der sogenannten Systematisierung der kommunistischen Zeit. Allerdings kam es in den letzten Jahren, wohl vor allem auf Drängen des in Hermannstadt starken Demokratischen Forums, zu einer Rekonstruktion und Restaurierung der Altstadt. So wurde beispielsweise das Theater Thalia mit der viel zu kleinen Bühne wieder aufgebaut.
Nach der Mittagspause hatten wir eine wahnsinnig spannende Führung durch das Zentralarchiv der evangelischen Kirche A.B. in Rumänien. Die äußerst kompetente und sympathische Archivarin Monica Vlaicu erklärte uns alles rund um den Aktenbestand, die Archivierung und die Geschichte der Einrichtung.
Im Archiv seien 88 private Nachlässe zu finden (z.B. von Eginald Schlattner, Viktor Roth und Ludwig Kastner), Unterlagen von über 300 nicht mehr aktiven Gemeinden, Kirchenbücher, Baupläne, Fotos und Urkunden vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Vereinzelt gibt es im Bestand aber auch Urkunden, die sich bis in das 14. Jahrhundert datieren lassen.
Zuletzt folgte noch eine Führung durch das landeskirchliche Museum im Obergeschoss des Teutsch-Hauses, welches 2007 eröffnet wurde. In der Ausstellung bildet die Geschichte der Siebenbürger Sächsinnen und Sachsen den roten Faden, der sich durch die einzelnen Ausstellungsräume zieht. Die Ausstellung hat den Zweck, die Geschichte der evangelischen Kirche in Rumänien und damit verbunden die siebenbürgisch-sächsische Identität allen näher zu bringen. Trotzdem haben die meisten BesucherInnen einen persönlichen Bezug zu den Siebenbürger Sächsinnen und Sachsen.
Die Ausstellung wird von verschiedenen TrägerInnen mitfinanziert, so zum Beispiel der evangelischen Kirche in Deutschland, dem diakonischen Werk und den Bundesministerien für Inneres und Kultur. Die finanzielle Lage der evangelischen Landeskirche in Rumänien sei hingegen eher schwierig, da die Gemeinden mit großem Mitgliederschwund zu kämpfen hätten.
Unseren letzten Abend in Rumänien ließen wir bei einem gemeinsamen Grillabend bei unserem Busfahrer Virgil ausklingen. Bei Mici, Salat und Bier konnten wir so noch einmal unsere Exkursion Revue passieren lassen, rumänischen Volkstanz lernen und gemeinsam zum Abschied singen.
Sophia Kuhnle und Hendrik Geiling